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Europas (gar nicht mal so) stiller Brownfield-Boom

Abseits der weltweiten Schlagzeilen gibt es gute Nachrichten aus den industriellen Kernländern Europas, wo eine stille „Sanierungsrevolution“ im Gange ist.

Brachflächen – ehemalige Fabriken aus Europas industrieller Vergangenheit – werden in zukunftsorientierte Gewerbegebiete und Mischgebiete des 21. Jahrhunderts umgewandelt. Angetrieben vom Green Deal der EU und seinen verschiedenen Komponenten – allen voran der EU-Bodenstrategie für 2030, die eine Netto-Null-Landnutzung bis 2050 vorsieht – setzt sich das Mantra „Brachflächen vor Grünflächen“ durch und verspricht, die europäische Entwicklungslandschaft nachhaltig zu verändern.

Nicht alle Blätter sind braun

Brachflächen galten lange Zeit als geschäftsschädigend und waren schmutzige, oft giftige Schandflecke, die die Städte, denen sie einst dienten, verschandelten. Hohe Sanierungskosten und vielschichtiger bürokratischer Aufwand machten Greenfield-Standorte in den letzten Jahrzehnten zur schnelleren, günstigeren und einfacheren Lösung für die meisten Immobilienentwicklungsprojekte in Europa.

Das war damals. Angesichts der heutigen Landknappheit und der zunehmenden Verdichtung der Städte, der drohenden Klimaziele und der strengeren Vorschriften zur Landnutzung gewinnen Brachflächen in ganz Europa als vorrangiger Weg zur nachhaltigen Entwicklung an Bedeutung.

Dieser Trend ist zwar in den reifen westlichen Märkten mit ihrer größeren Grundstücksknappheit stärker ausgeprägt, setzt sich aber auch in Mittel- und Osteuropa durch. Insbesondere in städtischen Gebieten werden Brachflächen von Bauträgern, Investoren und Politikern gleichermaßen begrüßt. Sie sehen darin keine Belastung mehr, sondern einzigartige Chancen, zahlreichen Herausforderungen direkt zu begegnen und gleichzeitig das Wachstum innovativer Branchen und Städte in ganz Europa zu fördern.

Bei richtiger Umsetzung ist die Sanierung von Brachflächen für alle Beteiligten eine Win-Win-Situation.

 

Die Botschaft steht im Boden geschrieben

Seit der Ankündigung des Green Deals im Dezember 2019 hat die Europäische Union einen grundlegenden Wandel in Europa eingeleitet, um die Dekarbonisierungsziele der Wirtschaft und andere klimarelevante Ziele zu erreichen. Während die Energiewende von Kohlenwasserstoffen zu erneuerbaren Energien im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht, sind grundlegende Veränderungen der Landnutzung in der EU ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Green Deals.

Die EU-Bodenstrategie für 2030 legt ein neues Landbewirtschaftungsmodell fest, um die Bodengesundheit zu schützen, eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und Biodiversität zu fördern und die Klimaresilienz zu stärken. Kernstück ist das Ziel, bis 2050 keinen Netto-Landverbrauch zu verursachen. Grundlage hierfür ist das Konzept des Flächenrecyclings. Dieses rückt Brachflächen als vorrangigen Standort für das gesamte Spektrum der Immobilienentwicklung in den Fokus, einschließlich des Industrie- und Logistiksektors.

In der Praxis bedeutet dies, dass künftige Neuentwicklungen durch die Sanierung oder Wiederverwendung von Brachflächen oder andere Sanierungsmaßnahmen, wie etwa die Wiederaufforstung, ausgeglichen werden müssen. Bereits bis 2030 müssen die Mitgliedstaaten mehrere mittelfristige Ziele erreichen, darunter die Sanierung kontaminierter Standorte. Diese und andere Initiativen, Gesetze und Richtlinien auf EU-Ebene veranlassen die Mitgliedstaaten und Kommunen, Brachflächenprojekten Priorität einzuräumen.

Deutschland ist derzeit Vorreiter. Laut der deutschen Immobilienberatung Logivest werden im Jahr 2024 rund 401.000 Tonnen aller neuen Industrie- und Logistikprojekte in Deutschland auf Brachflächen realisiert. Angesichts der zunehmenden Beschränkungen für die Bebauung von Grünflächen dürfte diese Zahl mit Sicherheit steigen – nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Europäischen Union.

Blühende Brachflächen
CTP freut sich, an mehreren Brownfield-Projekten in unserem Netzwerk mitzuarbeiten. Hier sind einige Beispiele.

 

Warum Brownfields die Zukunft sind

Es stellt sich heraus, dass Brachflächen, insbesondere in städtischen Gebieten, alles bieten.

Den Mietern bieten sie eine strategische Lage mit verfügbaren Fachkräften und einer bestehenden Transport- und Versorgungsinfrastruktur, die kürzere Lieferketten und Pendelzeiten sowie eine schnellere Markteinführung ermöglicht.
Für Entwickler werden sie zunehmend als „Trophäenprojekte“ betrachtet, die ihnen die Möglichkeit bieten, das gesamte Spektrum dessen zu demonstrieren, was sie tun können, um nicht nur das Wachstum des Unternehmens, sondern auch das der Gemeinden, in die sie investieren, zu unterstützen.
Brachflächen bieten Bauträgern zudem mehr Flexibilität bei der Entwurfsplanung, da viele Städte individuelle Zonen für Brachflächen anbieten, um eine höhere Dichte und gemischte Nutzung zu fördern. Dies erleichtert die Planung von I&L-Parks der nächsten Generation mit flexiblen Büro-, Labor- und Wohnformaten.

Städte mit Brachflächen sind gespannt auf Revitalisierungsprojekte von Bauträgern, die bei der teuren Sanierung helfen und ungenutzte Flächen wiederbeleben, entweder um Wohnungsnot zu beheben oder neue Arbeitsplätze und neue Einrichtungen für die Gemeinde zu schaffen. Investoren sehen diese Projekte zunehmend als wichtigen Beitrag zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen an.

Darüber hinaus steigern Brownfield-Projekte das Ansehen aller Beteiligten und sorgen für öffentliche Unterstützung, da sie dem Ort neues Leben einhauchen und neue Arbeitsplätze und Industrien schaffen.

 

Leichter gesagt als getan

Trotz der zunehmenden Aufmerksamkeit gibt es kein Allheilmittel, das die kumulativen Auswirkungen jahrzehntelanger Umweltverschmutzung und der daraus resultierenden Vernachlässigung, unter der die meisten Brachflächen leiden, rückgängig machen kann. Die Sanierung der Standorte und die Haftungsfragen bleiben erhebliche Herausforderungen.

Während in den meisten EU-Mitgliedstaaten bereits Gesetze zur Anpassung an die Bodenschutzstrategie 2030 der EU in Bezug auf Landnutzung, Dekontaminierung und die Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens in Kraft sind oder in Arbeit sind, ist die öffentliche Unterstützung für die Sanierung von Brachflächen in Europa bestenfalls lückenhaft.

„Brachflächen sind noch ein Nischenthema, noch nicht im Mainstream angekommen“, erklärt Raphael Thiessen, CEO von Brownfield24 – einer führenden Plattform in Deutschland, die sich für die Förderung von Brachflächenprojekten einsetzt (siehe Interview auf Seite X). „Es geht nicht nur um Subventionen – wir brauchen eine stärkere ‚Brownfield vor Greenfield‘-Mentalität, insbesondere auf politischer Seite. Ein pragmatischerer Ansatz würde helfen, die Dinge zu beschleunigen.“

 

Nicht ob, sondern wann

Angetrieben durch den Green Deal und die EU-Bodenstrategie stellt sich nicht die Frage, ob, sondern wann und wie Brachflächen in ganz Europa wieder zum Leben erweckt werden. Dieser Prozess befindet sich noch in einem frühen Stadium, und jeder Standort hat seine eigenen Besonderheiten, doch der Trend ist klar und verstärkt sich: Der europäische „Brownfield-Boom“ ist im Gange.

Die zunehmende Unterstützung auf lokaler, mitgliedstaatlicher und EU-Ebene – und die Nachfrage der globalen Wirtschaft nach Immobilienlösungen des 21. Jahrhunderts mit Schwerpunkt auf Innovation und Nachhaltigkeit – trägt dazu bei, die Hindernisse abzubauen, die Brachflächen einst behinderten. Dadurch wird ihr enormes Potenzial freigesetzt und ein neues Kapitel in der europäischen Entwicklung und Industrie aufgeschlagen.

Einst verschmäht, sind Brachflächen heute ein Lichtblick für die Zukunft Europas.

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